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15.10.2015 - Rheinpfalz - Jugendfeuerwehr

„Bin an der Haustür angeworben worden“

112 – Tag und Nacht (8): Wie kriegt man Kinder und Jugendliche dazu, sich für den Dienst in der Feuerwehr zu interessieren? Indem man ihnen früh Lust auf Technik macht und das Bedürfnis nach Kameradschaft stillt. Das funktioniert in kleinen Dörfern besser als in großen Kommunen, wie das Beispiel der Heuchelheimer Jugendfeuerwehr zeigt.
Von Waltraud Werdelis

Übungseinsatz des Heuchelheimer Feuerwehrnachwuchses: Die Jugendlichen stehen an der Schwelle zum aktiven Dienst und proben hier den Umgang mit Opfern eines Verkehrsunfalls. Foto: - BOLTE -

Wie stellt sich ein Löschtrupp auf, bevor es zu einem Brandeinsatz geht? Wie ist die Sitzordnung im ausrückenden Fahrzeug? Michael Diemer und Oliver Tittes bombardieren die Jugendlichen im engen Domizil der Heuchelheimer Feuerwehr mit Fragen. Und die antworten druckreif und wie aus der Pistole geschossen. Vor den beiden Ausbildern sitzen elf von insgesamt 17 Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren, die am Übergang von der Jugendfeuerwehr zum aktiven Dienst stehen und an diesem Abend für ihre Prüfung „Truppmann Teil 2“ üben. 80 Ausbildungsstunden müssen sie dafür aufwenden, 54 Stunden für „Truppmann Teil 1“ haben die meisten schon hinter sich. Helfen wird den Jungs und Mädchen ab jetzt der Hamilton, ein Handbuch, in dem alles steht, was ein Floriansjünger wissen muss. Der örtliche Feuerwehr-Förderverein hat fast 800 Euro dafür springen lassen.

Im Frankenthaler Umland gilt die Heuchelheimer Jugendfeuerwehr als ein kleines Wunder. Fast überall wird darüber gejammert, dass den Brandschützern der Nachwuchs fehlt, und im kleinen Heuchelheim macht die Jugend 37 Prozent der ganzen Einheit aus. Wie kommt das? Michael Diemer berichtet von einer Werbeoffensive 2009, bei der man sogar von Haus zu Haus gezogen sei und Kinder und Jugendliche direkt angesprochen habe. „Ich bin an der Haustür geworben worden“, bestätigt Felix, einer der Feuerwehr-Azubis.

Andere erzählen, dass Vater oder Geschwister Vorbild seien oder das Bedürfnis, Menschen zu helfen, der Grund für den Eintritt gewesen sei. „Plötzlich haben’s alle gemacht“, erinnert sich ein anderer junger Mann an den Ansteckungseffekt im beschaulichen Heuchelheim, wo das Angebot an Freizeitbeschäftigungen naturgemäß geringer ist als in der Stadt oder größeren Gemeinden wie Bobenheim-Roxheim.

Die Wehrführung ist außerdem überzeugt, dass das Gemeinschaftsgefühl und die Kameradschaft bei der Feuerwehr wohl genauso attraktiv wirken wie die Arbeit, die sie leistet. Ferienfreizeiten und die Teilnahme an Wettbewerben, das schweißt zusammen. Auch technisches Interesse bringt so manchen zur Feuerwehr. „Wenn man technikbegeistert ist, bleibt’s hier immer spannend, und man bleibt bei der Stange“, meint Sascha, dessen hohe Motivation sich schon daran zeigt, wie umfassend er jede Frage der Ausbilder beantwortet.

Jetzt aber muss er mit seinen Kameraden zum Probeeinsatz an die Fußgängerunterführung. „Dort ist ein Pkw hineingestürzt, zwei Personen sind verletzt, vorsorglich muss ein Löschtrupp hin“, erläutert Oliver Tittes die fiktive Aufgabe. Die Jungs werden in Angriffs-, Wasser-, Schlauch- und Rettungstrupp aufgeteilt, die beiden Mädchen spielen Unfallopfer.

Während Jugendwart Tittes die Rolle des Gruppenführers einnimmt und den Übungseinsatz genau beobachtet, plaudert Reiner Geiger, Wehrleiter der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim, aus dem Nähkästchen. Uns interessiert, ob die Feuerwehren so große Nachwuchssorgen haben, dass sie jeden nehmen und behalten, der die Prüfung geschafft hat. „Nein“, sagt Geiger, „es kommt durchaus vor, dass jemand ausgeschlossen wird.“ Wer Regeln und Vorschriften ablehne, keinen Teamgeist und wenig Pflichtbewusstsein zeige, der sei bei der Feuerwehr nicht richtig. Und niemand solle glauben, dass man dort ständig spektakuläre Einsätze habe. Ganz im Gegenteil.

Wenig Fahrzeuge und Einsätze – das hilft kleinen Wehren wie der Heuchelheimer, Energie in die Jugendarbeit zu stecken. Und davon profitieren auch die Erwachsenen. Denn nicht nur Michael Diemer und Oliver Tittes, sondern bis zu acht Aktive sind mit der Ausbildung betraut und frischen so ihr eigenes Wissen auf. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass junge Leute zu anderen Einheiten in anderen Orten wechseln.

Die Serie
Notruf 112: Die Männer und Frauen von der Freiwilligen Feuerwehr in Frankenthal und den Landgemeinden sind im Notfall Tag und Nacht ehrenamtlich im Einsatz. Unsere Serie beleuchtet die Facetten ihrer Arbeit: von der Technik über Sonderaufgaben einzelner Stützpunkte bis hin zu den menschlichen Aspekten.

Nils erklärt: Wie man Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau wird

Viele haben schon im Kindesalter den Wunsch, Feuerwehrmann zu werden, weil diese mutigen Männer und Frauen richtige Helden sind. Sie löschen Brände und retten Leben in größter Not. Doch wie und wo kann man das lernen? Für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren bieten einige Feuerwehren Bambini-Gruppen an. Dieses Programm erklärt mit Spiel und Spaß alles rund ums Thema Feuerwehr. Wenn ihr zwischen zehn und 18 Jahre alt seid, könnt ihr Teil der Jugendfeuerwehr werden, die technisches Grundwissen in verschiedenen Stufen vermittelt. Da geht es schon richtig zur Sache. Danach könnt ihr in den aktiven Dienst eintreten, in dem ihr als richtige Feuerwehrmänner oder -frauen zu echten Einsätzen gerufen werdet. (mtt)

Zur Sache: Neustart der Jugendarbeit bei der Kleinniedesheimer Wehr

Nachdem die 1986 gegründete Jugendfeuerwehr in Kleinniedesheim [Anm.d.R: er müsste eigentlich Groß-/Kleinniedesheim heißen] mangels Mitglieder und Betreuer von 2011 bis 2013 ruhen musste, treffen sich jetzt wieder 14 Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahren einmal pro Woche. Nicht alle wohnen in Kleinniedesheim [bzw. in Großniedesheim], wie Michael Schwerdel, stellvertretender Wehrführer, sagt. Er und zwei weitere Aktive kümmern sich nicht nur um die Ausbildung, sondern auch um das Gesellige, das die Kinder und Jugendlichen zusammenschweißen soll. Schwerdel ist froh um die Unterstützung, „denn allein kann man diese Jugendarbeit nicht machen“. Zumal dafür auch Schulungen bei der Landesfeuerwehrschule in Koblenz nötig seien.

Unter anderem weil es keinen Bundeswehr-Ersatzdienst mehr gibt, seien Quereinsteiger im Erwachsenenalter selten geworden. Eine aktive Mannschaft könne auf Dauer nur erhalten bleiben, wenn sie aus der Jugendarbeit heraus Nachwuchs bekomme. Nach Ansicht von Michael Schwerdel hat es sich bewährt, in die Grundschulen zu gehen und dort Brandschutzunterricht zu geben. „Das ist unser erster Anknüpfungspunkt“, sagt er und beobachtet, dass „die Bambini-Feuerwehr im Kommen“ sei.

Als großen Vorteil der Feuerwehr im Wettbewerb um junge Mitglieder sieht Schwerdel, dass dieses Hobby beziehungsweise Ehrenamt „ungewöhnlicher ist, als in einem Sportverein mitzumachen“. Er gibt aber auch zu bedenken, dass eine Jugendfeuerwehr vor Ort nicht zu groß sein darf. „Sonst bekommen wir bei Übungen ein Transportproblem.“ (ww)

Quelle: Die Rheinpfalz - Frankenthaler Zeitung - Nr. 237, Dienstag, den 13. Oktober 2015, Seite 15


 
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